Corona-Sonderzulage an niedersächsische Beamte ist grundsätzlich pfändbar
Der unter anderem für das Insolvenzrecht zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die gemäß § 63a des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) an alle Besoldungsempfänger zu zahlende Corona-Sonderzahlung keine unpfändbare Erschwerniszulage darstellt.
Sachverhalt:
Der Schuldner ist beamteter Lehrer des Landes Niedersachsen. Er stellte am 24. Mai 2018 Insolvenzantrag und beantragte die Erteilung der Restschuldbefreiung. Zugleich trat er seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus seinem Dienstverhältnis für die Dauer von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder ab (§ 287 Abs. 2 InsO). Das Insolvenzgericht hob das Insolvenzverfahren am 13. Mai 2019 auf und bestimmte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder.
Das Land Niedersachsen gewährte dem Schuldner im März 2022 gemäß § 63a NBesG eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 1.300 €. Der Schuldner beantragte beim Amtsgericht (Insolvenzgericht), dass ihm die Corona-Sonderzahlung als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO vollständig pfändungsfrei belassen wird und nicht den Pfändungsvorschriften für Arbeitseinkommen unterfällt.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Amtsgericht (Insolvenzgericht) hat den Antrag abgelehnt. Das Beschwerdegericht hat die Unpfändbarkeit der Sonderzahlung bejaht und gemeint, der Landesgesetzgeber habe mit § 63a NBesG, nach dessen Wortlaut die Sonderzahlung zur Abmilderung der zusätzlichen Belastung durch die COVID-19-Pandemie gewährt werde, hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass diese dem Ausgleich besonderer pandemiebedingter Belastungen der Beamten diene. Damit habe der Gesetzgeber zugleich deren Charakter als Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO gesetzlich festgeschrieben.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf die Rechtsbeschwerde des Treuhänders aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Welche Anforderungen an eine Erschwerniszulage im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO zu stellen sind, richtet sich allein nach dem Verständnis des Bundesgesetzgebers. Die Länder haben - abweichend vom rechtsfehlerhaften Ansatz des Beschwerdegerichts - keine Kompetenz, die Behandlung einer von ihnen gewährten Sonderzahlung als Erschwerniszulage gesetzlich vorzuschreiben und hierbei von § 850a Nr. 3 ZPO abweichende Voraussetzungen festzulegen.
Die Corona-Sonderzahlung nach § 63a NBesG erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage. Pfändungsschutz nach § 850a Nr. 3 ZPO wird gewährt, weil beim Schuldner eine besondere Belastung bei oder durch die Erbringung der Arbeitsleistung gegeben ist. Dies setzt voraus, dass die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Zulage veranlassen, konkret bezeichnet sind. Wird der Kreis der anspruchsberechtigten Personen durch eine abstrakt-generelle Regelung festgelegt, muss diese Regelung den Kreis der anspruchsberechtigten Personen in hinreichend bestimmter Weise von dem Kreis derer abgrenzen, bei denen die tatsächlichen Verhältnisse, welche die Leistung veranlasst haben, zu keiner Erschwernis der Arbeitsleistung führen. Sieht die abstrakt-generelle Regelung - wie § 63a NBesG - für alle Beschäftigten eine Zahlung des Dienstherrn vor, liegt darin nur dann eine Erschwerniszulage, wenn die tatsächlichen Verhältnisse bei allen Beschäftigten zu einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit führen.
Diese Anforderungen erfüllt § 63a NBesG nicht. Der Landesgesetzgeber hat davon abgesehen, den Anspruch auf die Corona-Sonderzahlung von einer besonderen Belastung der Arbeitstätigkeit durch die Corona-Pandemie abhängig zu machen. Die beiden Voraussetzungen des Anspruchs (Bestehen eines Dienstverhältnisses am 29. November 2021 und Anspruch auf Dienstbezüge an mindestens einem Tag zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 29. November 2021) sind unabhängig davon, ob der Empfänger besonderen Belastungen bei der Verrichtung des Dienstes ausgesetzt ist, wie etwa einem besonders intensiven Kontakt zu anderen Menschen und damit einem besonderen Infektionsrisiko. Die allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben keinen Bezug zum Dienst und seiner Verrichtung, der eine Behandlung als unpfändbare Erschwerniszulage rechtfertigt.
Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 141/2023 vom 22.08.2023